Auf Einladung des Österreichischen Gemeindebundes und des größten privaten heimischen Pflegeheimbetreibers SeneCura diskutierten rund 50 Gemeindevertreterinnen und -vertreter die aktuelle Situation der Pflege auf der kommunalen Ebene. Eine Ende 2019 durchgeführte Online-Umfrage des Gemeinde-Portals Kommunalnet, an der mehr als ein Viertel aller Gemeinden teilgenommen hat, belegte nicht nur eindrucksvoll die große Bedeutung des Themas Pflege für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Sie zeigte auch, dass die Hälfte der österreichischen Gemeinden die Organisation der Pflege in ihrer Gemeinde derzeit als herausfordernd empfindet. 67 Prozent der Gemeinden gaben im Rahmen der Umfrage an, dass aus ihrer Sicht beim Thema Pflege-Organisation und -Finanzierung bisher nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der kommunalen Ebene Rücksicht genommen wurde. „Die Organisation der Pflege ist für die Gemeinden nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Seit 2012 sind die Ausgaben für die Pflege um 31 Prozent gestiegen“, kommentiert Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl diese Stimmungslage in den Kommunen.

Reform-Dialog des Sozialministers involviert auch die österreichischen Gemeinden

Auf die damals formulierte Forderung, dass die Gemeinden in die Verhandlungen über die dringend notwendige Pflege-Reform einzubinden sind, hat der nun zuständige Bundesminister Rudolf Anschober mit dem Start eines breiten Reform-Dialogs reagiert. Für eine intensivere Auseinandersetzung mit der Situation und den Bedürfnissen der kommunalen Ebene wurde das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) mit einer Studie beauftragt, die derzeit in Arbeit ist. Dessen stellvertretende Leiterin, die Pflege-Expertin Ulrike Famira-Mühlberger, bekräftigte im Rahmen des Bürgermeister Round Tables: „Es besteht dringender Reformbedarf, denn die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen steigt zum einen aufgrund der Demografie, aber auch weil die informelle Pflege innerhalb der Familien noch weiter zurückgehen wird. Hier verschieben sich die Generationen auch langsam durch die immer spätere Familiengründung – die Kinder der heute pflegebedürftigen Menschen stehen zumeist noch voll im Erwerbsleben und haben oft selbst noch Kinder zu versorgen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist auch zu erwarten, dass die stationäre Pflege noch weiter an Bedeutung gewinnt, auch wenn die Politik ihre Hoffnungen sehr stark auf mobile Modelle setzt. Die Pflege zu Hause ist aber oft nicht die beste Lösung für die Betroffenen und deren Familien.“

Stationäre Pflegeeinrichtungen wichtigste Auskunftsstellen zu Pflege-Fragen in der Gemeinde

Dass Pflegeheime schon heute eine ganz wesentliche Experten-Funktion in den Gemeinden haben, bestätigte die Bürgermeister-Umfrage eindrucksvoll: Für 42 Prozent jener Gemeinden, in denen stationäre Pflegeeinrichtungen gibt, sind diese die zentralen Ansprechpartner in Pflege-Fragen. Deutlich dahinter folgen das Gemeinde- und Sozialamt (24%), Hilfsorganisationen (13%) und Bezirkshauptmannschaft bzw. Landesregierung (12%) sowie der Gemeinde-Arzt (9%). „Wir verstehen uns als kompetenter Partner der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und sind in allen 57 Gemeinden, in denen sich eines der 65 SeneCura Sozialzentren befindet, gerne erste Ansprechpartner in Sachen Pflege. Es ist unser Anspruch, eine aktive Rolle in der Gemeinde zu spielen und das soziale Leben im Ort aktiv zu beleben – durch die Integration von Kindergärten oder Fitness-Studios oder Angebote wie den Mittagstisch für die örtliche Schule zu übernehmen“, fasst SeneCura CEO Anton Kellner die starke Verbundenheit mit den Gemeinden zusammen. „Als Pflege-Experte fühlen wir uns nicht nur für unsere eigene stationäre Einrichtung verantwortlich, sondern stehen auch pflegenden Angehörigen im Ort mit unserer Expertise zur Verfügung. Unsere aktive Rolle in der kommunalen Versorgungskette nimmt weiter an Bedeutung zu und wir entwickeln dazu innovative Zukunftskonzepte wie die Kurzzeitpflege – um Angehörige zu entlasten und ihnen die Möglichkeit für eine Auszeit von der herausfordernden Pflege-Arbeit bieten zu können.“

Falsches Bild von der selbstbestimmten Lebensführung im Pflegeheim herrscht noch immer vor

Mit dem Wohnen im Alter und den damit verbundenen Wünschen und Vorstellungen der Österreicherinnen und Österreicher hat sich Prof. Dr. Franz Kolland, Soziologe und Gerontologe der Universität Wien, intensiv auseinandergesetzt. Im Rahmen des Bürgermeister Round Table gab er den Gemeinde-Vertretern spannende Einblicke in seine Forschungsergebnisse mit auf den Weg: „Unsere Erhebungen zeigen, dass die älteren Menschen oft zu lange an ihrer gewohnten Umgebung festhalten und sich erst sehr spät, wenn sie schon starke Einschränkungen ihrer Lebensqualität spüren, bereit sind, sich mit einer Umstellung ihrer Wohnsituation zu befassen. Dabei herrscht ein überholtes Bild von stationären Pflegeeinrichtungen vor, insbesondere was die persönliche Freiheit und Selbstbestimmung der Lebensführung dort betrifft. Ganz im Gegensatz zu den geäußerten Vorstellungen ist die Autonomie für ältere Menschen in einem Pflegeheim größer als in ihrer herkömmlichen Wohnsituation – weil die nicht auf ihren Bedarf angepasst, also zum Beispiel nicht barrierefrei, ist.“